Nachgehende Differenzierung

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Steckbrief
Name Nachgehende Differenzierung
Dimension didaktisch
Notwendigkeit für das Szenario obligatorisch
Messbarkeit relativ

Das Kriterium Nachgehende Differenzierung umfasst wichtige Stellschrauben seitens des Mediums, um Aufgaben und Übungen so zu adaptieren, dass die Chancengleichheit erreicht werden kann und alle Lernenden optimal gefördert werden.

Unterricht ist häufig geprägt von einer hohen Heterogenität der Lerngruppen, die mit einer starken Homogenitätserwartung der Lehrkräfte kollidiert. Ziel ist es, eine vernünftige Balance zwischen Gleichheit und Differenz zu finden. [1] Gelebte Binnendifferenzierung ist in der Praxis daher sehr komplex und anspruchsvoll, da viele gleichzeitig laufende Lernprozesse überblickt werden müssen. Eine ideale Differenzierung ist daher anstrebsam, jedoch kompliziert konsequent umsetzbar. Das digitale Medium soll nicht die Aufgabe einer adäquaten Binnendifferenzierung übernehmen, sondern diese unterstützen und somit nötige Rahmenbedingungen für eine Anpassung des individuellen Lernprozess der Lernenden liefern.

Gleichzeitig darf auch dieses Kriterium nie alleinstehend betrachtet werden. Für eine gute Binnendifferenzierung ist gleichwohl eine adäquate Einschätzung des Vorwissens, als auch des laufenden Lernprozesses, zur Erhebung des Lernstands sowie der Stärken und Schwächen der einzelnen Lernenden, notwendig. Das Lernfortschrittsmonitoring hat somit direkten Einfluss auf die Differenzierung. Gleichzeitig müssen für eine Differenzierung individuelle Ziele formuliert werden (Vgl. Fachliche Zielsetzung). Eine Binnendifferenzierung setzt somit hohe Ansprüche an Lehrende und Lernende. Das digitale Medium muss dies unterstützen.

Bönsch(2008) unterteilt drei Lernsets für die Binnendifferenzierung: [2]

  • Nachgehende Differenzierung: Der Unterricht beginnt mit Input für alle. Dann folgen Aufgaben und Übungen, die unterschiedlich sind hinsichtlich Quantität (Zahl der Aufgaben), Qualität (Anspruchsniveau), Umfang der Unterstützungsleistung und Zeit.
  • Bearbeitungsdifferenzierung bei klaren Vorgaben: vorgegebene Lernaufgaben sind anhand von Büchern, Lernplänen, Portfolios selbstständig zu erledigen. Zeit, Hilfesuche und Kooperationen sind flexibel einzuteilen. Die Variante stellt hohe Ansprüche an die Selbstständigkeit der Lernenden.
  • Freigebende Differenzierung: Der gesamte über einen langen Zeitraum zu lernende Unterrichtsstoff wird freigegeben und kann selbst eingeteilt erworben werden. Das erfordert jedoch äußerst selbstständige, verantwortungsbewusste Lernende.

Da die letzten beiden Ausrichtungen der Binnendifferenzierung u.a. hauptsächlich vom Grad der Selbstständigkeit abhängig sind, wird in diesem Kriterium die nachgehende Differnzierung, die Anpassung von Aufgaben und Übungen an das Leistungsniveau der Lernenden, beurteilt.

Kriterium

Inhaltliche Aufgaben und Übungen werden hinsichtlich der Quantität, der Qualität, der Hilfeleistung und des Zeitbedarfs unterschiedlich vom Medium angeboten.

Beschreibung

Zu prüfende Merkmale

Eine nachgehende Differenzierung ist für alle Leistungsniveaus vorhanden. Auf folgende Merkmale ist zu prüfen, ob eine inhaltliche Anpassung möglich ist: [3]

  • Quantität
    • Anzahl der Aufgaben
    • Anzahl der Teilaufgaben
    • Grad der Strukturierung
  • Qualität
    • Komplexität der Aufgaben
    • Offenheit der Aufgaben → vgl. Aufgabengestaltung (z.B. Aufgabentypen nach Bruder) [4]
    • Abstraktionsniveau der Aufgaben
  • Hilfeleistung
    • inhaltliche Hilfestellungen, wie u.a.
      • gestufte Hilfen [5]
      • Erklärvideos
      • Fragenkatalog
    • methodische Hilfeleistungen, wie u.a.
      • Hilfswerkzeuge
      • Strukturierungshilfen [6]
      • heuristische Hilfsmittel, wie u.a.
        • Tabelle
        • Grafik
        • Skizze
      • Grad der Selbstständigkeit bei der Bearbeitung
      • stufenweises Abbauen von Hilfestellungen [7]
      • Kontextgebundene Rückmeldung zur Bereitstellung zusätzlicher Informationen für das Finden der Aufgabenlösung [8]
  • Zeitbedarf für konkrete Arbeitsaufträge
    • Verlängerung des Bedarfs
    • Verkürzung des Bedarfs

Graduierung

Stufe 0
Anpassungsmöglichkeiten von Aufgaben und Übungen bzgl. Qualität, Quantität, Hilfe und Zeit für eine nachgehende Differnzierung sind nicht vorhanden.
Stufe 1
Anpassungsmöglichkeiten von Aufgaben und Übungen für eine nachgehende Differnzierung sind in einem Merkmal (Qualität, Quantität, Hilfe oder Zeit) möglich.
Stufe 2
Anpassungsmöglichkeiten von Aufgaben und Übungen für eine nachgehende Differnzierung sind in mehreren Merkmalen möglich.
Stufe 3
Anpassungsmöglichkeiten von Aufgaben und Übungen für eine nachgehende Differnzierung sind in allen Merkmal (Qualität, Quantität, Hilfe und Zeit) möglich.

Weiterführende Hinweise

  • Nachgehende Differenzierung als Teil der Binnendifferenzierung:
→ Das Szenario beginnt mit Input für alle.
→ Dann folgen Aufgaben und Übungen, die unterschiedlich sind hinsichtlich Quantität (Zahl der Aufgaben), Qualität (Anspruchsniveau), Umfang der Unterstützungsleistung und Zeit.[3]
  • Maßnahmen der nachgehenden Differenzierung werden extern vorgenommen (seitens des Mediums oder der Lehrkraft) und unterscheiden sich hier von der Personalisierung des Lernwegs
  • Entscheidend für die Lernunterstützung ist die Balance zwischen Anleitung und Offenheit. [9]
  • Darstellungen sollten unterschiedlicher Abstraktionsstufen gerecht werden bzw. Aufgaben müssen sich auf unterschiedlichem Lernniveau (z.B. durch entsprechende Hilfen) bearbeiten lassen. [10]

Einzelnachweise

  1. Scheunpflug, A.: Lernen in heterogenen Gruppen – Möglichkeiten einer natürlichen Differenzierung. In: Kiper, Hanna; Miller, Susanne; Palentien, Christian; Rohlfs, Carsten (Hg.): Lernarrangements für heterogene Gruppen. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt, 2008, S. 66-77.
  2. Bönsch, M.: Methodik der Differenzierung. In: Die Berufsbildende Schule 60/2008, 2008, S. 324-328.
  3. 3,0 3,1 Aschemann, B.: Vierzig Wege der Binnendifferenzierung für heterogene LernerInnen-Gruppen, 2011, S. 4.
  4. Bruder, R.: Handbuch der Mathematikdidaktik. Springer Spektrum, Berlin, 2015, S. 441, ISBN 978-3-642-35119-8.
  5. Hillmayr, D. et al.: Digitale Medien im mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht der Sekundarstufe. Einsatzmöglichkeiten, Umsetzung und Wirksamkeit. Waxmann, Münster, New York, 2017. ISBN 9783830937661.
  6. Walter, D.: Nutzungsweisen bei der Verwendung von Tablet-Apps. Dissertation, 2018, S. 51-56, ISBN 3658190671.
  7. Urff, C.: Digitale Lernmedien zur Förderung grundlegender mathematischer Kompetenzen. Theoretische Analysen, empirische Fallstudien und praktische Umsetzung anhand der Entwicklung virtueller Arbeitsmittel. Zugl.: Ludwigsburg, Pädagogische Hochschule, Diss., 2013. Mensch und Buch Verl., Berlin, 2014, S. 111f, ISBN 3863874234.
  8. Urff, C.: Digitale Lernmedien zur Förderung grundlegender mathematischer Kompetenzen. Theoretische Analysen, empirische Fallstudien und praktische Umsetzung anhand der Entwicklung virtueller Arbeitsmittel. Zugl.: Ludwigsburg, Pädagogische Hochschule, Diss., 2013. Mensch und Buch Verl., Berlin, 2014, S. 185, ISBN 3863874234.
  9. Urff, C.: Potentiale und Perspektiven digitaler Lernmedien für die Förderung grundlegender mathematischer Kompetenzen. In Zeitschrift für Heilpädagogik, 2010, Jhg. 61.S. 146.
  10. Urff, C.: Digitale Lernmedien zur Förderung grundlegender mathematischer Kompetenzen. Theoretische Analysen, empirische Fallstudien und praktische Umsetzung anhand der Entwicklung virtueller Arbeitsmittel. Zugl.: Ludwigsburg, Pädagogische Hochschule, Diss., 2013. Mensch und Buch Verl., Berlin, 2014, S. 305, ISBN 3863874234.