Schranken
Sowohl verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten, als auch Grundszenarien mit digitalen Medien bringen verschiedene Vorteile mit sich, um bestehende Schranken im Unterricht durch E-Learning zu überwinden und einen didaktischen Mehrwert zu erzielen. Beispielsweise kann durch die Öffnung des Unterrichts eine Zeit- und Ortsflexibilität als Vorteil von E-Learning erreicht werden. Dieser Vorteil lässt die Vermutung aufkommen, dass durch die technischen Möglichkeiten Lernen an jedem Ort und zu jeder Zeit möglich ist, quasi Mobile Learning. Diese Art von E-Learning ermöglicht mittels mobiler Endgeräte das Lernen an Orten, die keinen Bezug zum Inhalt haben müssen, ggf. eine persönliche Umgebung des Lernenden sind oder aus zeitlichen und rationellen Gründen auch zum Lernen genutzt werden können (z. B. der Straßenbahn, Bus, etc.). Diese Art von Lernen ist allerdings kein Ersatz für traditionelle Lehr- und Lernkonzepte und nicht das Ziel, wohin die Überwindung der Schranken den Unterricht bringen soll. Ziel ist ein didaktischer Mehrwert.
- Ein „Didaktischer Mehrwert zeigt sich eher in solchen Fällen, in denen mit Hilfe technischer, organisatorischer, kommunikativer oder informeller Vorteile Lernen gestaltet und verbessert wird.“ [1]
Dies kann nach Schulmeister [1] beispielsweise in Situationen der Fall sein, in denen:
- Multimedialität eine mehrkanalige Wahrnehmung ermöglicht (z. B. Visualisierung der Automatentheorie),
- schwer zugängliche reale Lernobjekte durch die Visualisierung zugänglich und risikolos manipulierbar werden (z. B. Simulationen und Animationen),
- multimediale Lernumgebungen Interaktionen mit Lernobjekten zum aktiven Üben erlauben.
Der technische Komfort, die Unterstützung und Erleichterung der Kommunikation oder der Zugang zu Informationen sind zwar Vorteile von E-Learning, sie beschreiben allerdings nur eine Ablösung der analogen Medien durch digitale Medien. Zusammenfassend beschreibt Schulmeister den didaktischen Mehrwert als Ziel der Überwindung der nachstehenden Schranken folgendermaßen:
- „Interessant für eine Begründung didaktischen Mehrwerts im eLearning sind die Vernetzung der Lernphasen, das vielfältige Spiel mit der Zeit in Simulationen, die Vernetzung verteilter Lernobjekte und Lernorte, die Virtualisierung von Lernobjekten sowie die Interaktivität der Lernobjekte, ihre ‚Bespielbarkeit‘, schließlich die dadurch gegebene Expansion der Lernchancen.“[1]
Zeitschranke
Durch E-Learning sind Lehrende und Lernende in der Lage flexibler mit der Lernzeit umzugehen. Die Lernzeit ist nicht an organisierte Präsenzphasen gebunden. Dadurch kann die Zeitschranke mit mehreren Wegen überwunden werden Durch synchrone und asynchrone digitale Kommunikationswege ist eine tutorielle Begleitung der Lernenden auch außerhalb des Unterrichts möglich. Dies dient auch zur Übermittlung von Informationen und Lernmaterialien nach Schulschluss. Durch Lernplattformen und virtuelle Klassenräume ist darüber hinaus die Vernetzung von synchronen und asynchronen Lernphasen möglich. Beispielsweise kann in einer synchronen Phase, kooperativ unterstützt durch ein digitales Whiteboard und einem Chat, gemeinsam an einem Projekt gearbeitet werden. Ideen, Gedanken und Informationen zu dem Lerngegenstand werden gesammelt und in Echtzeit zusammengetragen. Anschließend hat jeder Lernende in der asynchronen Phase Zeit, die Ideen mittels eines Forums zu erweitern und auszubauen [Sc06]. Das Blended Learning Modell ist ebenso eine Möglichkeit, um die zwei Lernphasen zu verbinden.
Ein weiterer Weg die Zeitschranke, im und außerhalb des Unterrichts, zu überwinden, ist die Virtualisierung der Zeit. Simulationen und Animationen ermöglichen das Nutzen von Zeitraffer- und Zeitlupenfunktionen, um zeitabhängige Vorgänge praktischer in den Unterricht zu integrieren [Sc06]. Beispielsweise können so naturgetreue, pflanzliche Reproduktionen simuliert werden. In Diagrammen festgehaltene Veränderungen lassen sich zeitlich animieren. Oder es kann beim Programmieren Lernen die Ausführung von geschriebenen Codes Schritt für Schritt in einer Simulation dargestellt werden.
Raumschranke
Die Raumschranke bezieht sich auf eine neue Vorstellung des Konzepts des Raumes. Ohne die Hilfe von E-Learning müssen alle Lernobjekte und -orte lokal präsent und real sein. Mit der Hilfe ist zum einen die Vernetzung verteilter Lernobjekte und -orte möglich. Individuelle Ressourcen, Unikate und Originale von verteilten Orten können, dank deren Digitalisierung, eingebunden werden. Spannend für die Zukunft wären beispielsweise auch virtuelle schülergerechte Museumsbesuche in digitalisierten Museen.
Zum anderen ermöglicht E-Learning die Virtualisierung von Lernobjekten und -orten. Abstrakte Lerninhalte, wie beispielsweise die Mathematik, können greifbarer gestaltet werden. Software wie GeoGebra ermöglichen eine flüssige Manipulation und Kreation von mathematischen Sachverhalten. Außerdem können virtuelle Labore benutzt werden [Sc06]. Der Bereich der technischen Informatik kann mit den nötigen elektronischen Geräten und Bauteilen greifbar und anschaulich vermittelt werden. Leider sind diese nötigen Dinge häufig nicht Bestandteil des Inventars der Schule. Mithilfe passender Software können Schaltungen und Baupläne digital erstellt und getestet werden. Darüber hinaus sind sogar virtuelle Patienten und Organe möglich.
- Zusammenfassend ermöglicht E-Learning „[…] einen globalen Zugang zu raren Ressourcen und expandiert den Raum des Lernens.“ [Sc06, S. 208]
Analog-Digital-Schranke
Die dritte Schranke beschreibt den Funktionszuwachs entstehend durch die Digitalisierung analoger Medien. E-Learning erlaubt die Kombination von diskreten und kontinuierlichen Medien. Diese Verbindung ist die Voraussetzung für multimediale Lernobjekte und ermöglicht den Einsatz von diskontinuierlichen Lernmedien. Einst kontinuierliche Medien, wie Filme und Videos, erhalten so eine interaktive Komponente und können [2] in ihrer Übertragung und Veränderlichkeit gesteuert werden. Beispielsweise kann zwischen Videostellen hin und her gewechselt werden, die Manipulation des Tempos ist möglich, bei Bedarf können Untertitel eingesetzt werden oder bestimmte Bilder können mit Metadaten hinterlegt werden. Gleiche Effekte erzielen diskrete Medien. Das Hypertext16-Prinzip erlaubt eine bidirektionale Verlinkung zwischen Texten, Bildern oder Grafiken und liefert eine Dynamisierung diskreter Medien [Sc06].
Normen- und Werteschranke
E-Learning überwindet ethnische und soziale Barrieren und bricht dadurch normative Denkmuster. Durch die Möglichkeit des selbstgesteuerten Lernens, findet eine Individualisierung des Lernprozesses statt. Unterricht muss so nicht notgedrungen für alle gleich sein. Durch diskontinuierliche Medien kann Lernmaterial beispielsweise individualisiert und flexibler werden. Zusammenfassend erfordert das Lernen in einer virtuellen Welt eine neue Lernkultur [Ho19b]. Zusätzlich besteht die Möglichkeit alle Schülerinnen und Schüler in den Unterricht auf individuelle Weise einzubeziehen. Durch die Verflechtung von digitalen, analogen, synchronen und asynchronen Lernphasen können lernförderliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die mehr Lernende ansprechen.
Gleichzeitig entsteht eine höhere Partizipation von Schülerinnen und Schülern mit einem diagnostizierten sonderpädagogischen Förderbedarf. Mittels technischer Möglichkeiten steigert E-Learning teilweise die Barrierefreiheit, z. B. durch digitale Leitmedien wie Whiteboards und E-Books für Lernende mit Sehschwächen oder Foren zur Diskussion für Lernende mit Hörproblemen. Dies soll nicht die Behauptung entstehen lassen, dass virtuelles Lernen eine komplett barrierefreie Umgebung schafft. E-Learning besitzt seine Vorteile durch die Multimedialität. Dadurch birgt die damit einhergehende Nutzung aller Sinne beim Lehr-Lern- Prozess auch Nachteile, da sie die Barrierefreiheit einschränken kann.