COACTIV
Im Rahmen des COACTIV-Projekts wurde ein Kompetenzmodell für die Kompetenz von Lehrkräften am konkreten Fachbereich Mathematik aufgestellt. Die Hauptquelle dazu ist [COA11]. An die COACTIV-Studie schloss sich die COACTIV-R Studie an.
Über COACTIV
- Im Rahmen des Forschungsprogramms werden auch die individuellen und institutionellen Faktoren untersucht, die den Aufbau der berufsbezogenen personalen Kompetenzen, über die Lehrkräfte verfügen sollten, fördern. [COA11_01, S. 8]
- Für das Forschungsprogramm COACTIV bedeutet dies, dass Unterricht und Erziehung zusammen gedacht und modelliert werden müssen. (...) Im Rahmen von COACTIV werden nicht nur Prozesse und Ergebnisse des Wissensaufbaus in Abhängigkeit von der professionellen Kompetenz des Lehrpersonals untersucht, sondern als Ergebnisse des Unterrichts werden auch metakognitive, motivationale und affektive Personenmerkmale berücksichtigt (...). [COA11_01, S. 10]
- COACTIV betont nicht nur die Erwerbbarkeit und Veränderbarkeit professionellen Wissens, sondern auch seine Ausbildungsabhängigkeit (...), auch wenn seine operative Gestalt erst durch praktische Erfahrung erreicht wird (...). Dies hat Konsequenzen für das Forschungsprogramm. Fokus der Analysen sind nicht nur die Struktur professionellen Wissens, sondern auch die Bedingung seiner Genese (...). [COA11_01, S. 11]
- In COACTIV untersuchen wir Wissen, Überzeugungen und motivationale Orientierungen und selbstregulative Fähigkeiten der Lehrkräfte als Voraussetzungen für ihr Unterrichtshandeln (Bromme, 2001; Weinert, 2001). Wir gehen davon aus, dass das Zusammenspiel dieser Kompetenzaspekte entscheidend dafür ist, wie Lehrkräfte ihren Unterricht strukturieren und regulieren und ob sie langfristig in der Lage sind, ihren Beruf erfolgreich auszuüben. [COAW, Aspekte der Lehrerkompetenz]
- Erste Analysen, die sich bislang auf einzelne Kompetenzfacetten fokussierten, können das theoretische Rahmenmodell mittels empirischer Mediatormodelle bestätigen. So zeigt sich ein Zusammenhang der lerntheoretischen Überzeugungen der Lehrkräfte und dem mathematischen Leistungsniveau am Ende der 10. Klasse. [COAW, Hauptergebnisse]
- Ziel von COACTIV war es, diese unterschiedlichen Ansätze [Anm.: zur Berufstätigkeit von Lehrkräften] zu ordnen, in einem übergreifenden Modell, das Erkenntnisse aus verschiedenen Forschungsrichtungen zusammenführt, zu integrieren und empirisch zu prüfen. (...) Leitende Idee war es, zunächst ein generisches Modell der professionellen Kompetenz von Lehrkräften zu entwickeln, dass dann am Beispiel von Mathematiklehrkräften spezifiziert und konkretisiert wird. [COA11_02, S. 29]
- Das im Rahmen von COACTIV entwickelte Modell der professionellen Kompetenz von Lehrkräften nutzt verschiedene Forschungstraditionen, die sich mit den Voraussetzungen von Lehrkräften mit jeweils unterschiedlicher Schwerpunktsetzung beschäftigen. Mit der Betonung von Wissen als einer zentralen Dimension der Kompetenz schließt das Modell an die Expertiseforschung zum Lehrerberuf an (...) [COA11_02, S. 45]
Annahmen
- Weiterhin wird angenommen, dass das formale konzeptuelle Wissen einen Deutungs- und Ordnungsrahmen für praktische Erfahrungen darstellt und insofern nur sehr begrenzt durch praktisches Wissen ersetzbar ist. [COA11_01, S. 11]
- Die theoretische Annahme ist, dass vor allem das fachdidaktische Wissen besonders wichtig für die Herstellung kognitiv aktivierender Unterrichtssituationen und die Unterstützung der Lernprozesse bei den Lernenden ist (Ball, Lubienski, & Mewborn, 2001). [COAW, Wissen]
- Auch das COACTIV-Modell der professionellen Kompetenz beruht auf der Annahme, dass die einzelnen Kompetenzen prinzipiell lern- und vermittelbar und Veränderungsprozessen unterworfen sind. [COA11_02, S. 46]
- Es ist eine zentrale Grundannahme des theoretischen Ansatzes in COACTIV, dass bestimmte persönliche Ausprägungen in beiden Bereichen - kognitive Merkmale wie Wissen und Überzeugungen und motivational-selbstregulative Merkmale - die Grundlage für langfristig effektives Handeln von Lehrkräften bilden. [COA11_02, S. 46]
- Unser Hauptanliegen ist es, die Antezedenzien und Konsequenzen von interindividuellen Kompetenzunterschieden genauer zu spezifizieren.
Zusammenfassend beschreibt das Kompetenzmodell von COACTIV die Voraussetzungen für die erfolgreiche Bewältigung des Lehrerberufs aus einer mehrdimensionalen Perspektive. [COA11_02, S. 46]
- Es ist zentrale Annahme des Modells, dass in diesen Kompetenzaspekten interindividuelle Unterschiede zwischen Lehrkräften existieren und bedeutsam für das berufliche Handeln, insbesondere für das Unterrichtshandeln, sind. [COA11_03, S. 55]
Lehrkräfte
- Zentrale Anforderung für jede Lehrkraft ist es, einen Unterricht planen, inszenieren und interaktiv gestalten zu können, der in einem stabilen Ordnungsrahmen die Teilnahmemotivation von Schülerinnen und Schülern sichert, zu kognitivem Engagement und zu verständnisvollem, sinnstiftendem Lernen und zum Erwerb zentraler schulischer Kompetenzen führt, das Bewusstsein des eigenen Könnens stärkt und im besten Fall dauerhaftes dispositionales Interesse an der Sache erzeugt. [COA11_01, S. 8]
- Versteht man Lehrkräfte als Professionelle, die ihre berufliche Entwicklung selbstständig und langfristig zu regulieren haben, gehört zu ihren Aufgaben, die Anforderungen der beruflichen Tätigkeit dauerhaft über ein Berufsleben hinweg zu erfüllen und dabei Engagement, Leistungsfähigkeit und Berufszufriedenheit zu bewahren. [COA11_01, S. 8]
- Lehrerhandeln schließt also immer an institutionelle Vorentscheidungen an, die auf normativen Prämissen und praktischen Erfahrungen beruhen, das Bildungsprogramm sachlich, zeitlich und sozial zu organisieren und die Grundlagen der Beurteilung und Graduierung von Schülerleistungen regeln (Vanderstraeten, 2008). Mit diesem institutionellen Vorentscheidungen über Ziele, Fächerstruktur, Stundentafel und Lehrplan, die Unterrichtsorganisation und die organisatorische Regelungen von Zeit und Arbeitsverteilung sowie die Einführung universalistischer Gütermaßstäbe wird eine spezifische und sachliche Rollenbeziehung zwischen Lehrkraft und Schülerinnen und Schülern begründet. (...) Diese Spezifität der Rollenbeziehung erlaubt es, das Unterrichten als zentrale Aufgabe im Lehrerberuf und als erste Referenz für das professionelle Kompetenzprofil von Lehrkräften zu bestimmen. [COA11_01, S. 9]
Schüler und Aufgaben
- Schülerinnen und Schüler ihrerseits machen oft genug die von ihnen verlangte Anforderungen an den im Mathematikunterricht vorgelegten Aufgaben fest. Sie erfahren die Unterrichtsinhalte oft durch Aufgaben; ihre mathematische Tätigkeit beziehen sie auf die Auseinandersetzung mit den Aufgaben, und sie erleben ihre Kompetenz an der Bewältigung von Aufgaben. Die Aufgaben sind also die Träger der kognitiven Aktivitäten der Schüler. [COA11_05, S. 116]
- Auch die Bildungsstandards (Blum, Drüke-Noe, Hartung & Köller, 2006) machen ihr Ziel, den Mathematikunterricht über Kompetenzen zu gestalten, an Aufgaben fest. Dies ist aufgrund der praktischen Bedeutung von Aufgaben ein probater Weg, um mit Lehrerinnen und Lehrern ins Gespräch zu kommen. [COA11_05, S. 116]
- [Aufgaben] können daher aus theoretischen Gründen effektiv als Indikatoren für die Unterrichtsdimension „kognitive Aktivierung“ (Kap. 5) eingesetzt werden. [COA11_05, S. 116]
Unterricht
- Betrachtet man Unterricht als das Kerngeschäft der Schule, eröffnet sich auch ein anderer Blick auf die Erziehungsaufgaben, die Schule und Lehrkräfte zu erfüllen haben (...). Im Rahmen von Unterricht und seinem schulischen Umfeld werden Aufmerksamkeit, Anstrengung, Geduld und Ausdauer, Leistungsmotivation, Zielorientierung, Belohnungsaufschub und Selbstregulation im Lernen, aber auch Emotionskontrolle und soziale Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft und Aushandlung von Interessen, Übernahme von Verantwortung, Kooperation oder konstruktive Konfliktbewältigung thematisiert. [COA11_01, S. 9]
- Deshalb ist die erfolgreiche Berufsausübung auch immer daran zu messen, inwieweit es Lehrkräften gelingt, Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern zu initiieren und zu unterstützen, sodass die schulischen Lernziele erreicht werden. Dabei steht Lehrerhandeln unter doppelter Unsicherheit. Einmal ist Unterricht nur begrenzt planbar. (...) zum anderen gibt es auch für die Ergebnisse des Unterrichts, also die Lernerfolge der Schülerinnen und Schüler keine Garantie. [COA11_02, S. 30]
Kompetenz
- Der Begriff „Kompetenz“ beschreibt die persönlichen Voraussetzungen zur erfolgreichen Bewältigung spezifischer situationaler Anforderungen. Kompetenz ist prinzipiell erlen- und vermittelbar (vgl. Klieme & Leutner 2006; Weinert 2001a). [COA11_02, S. 31]
- Dieses Zitat ist auch aufgeführt unter Kompetenz.
- In einer engen Bedeutung beschreibt der Begriff „Kompetenz“ ausschließlich kognitive Aspekte (vgl. Weinert 2001a). In diesem Sinn sind Kompetenzen nach Klieme und Leutner (2006) kontextabhängige kognitive Leistungsdispositionen, die durch Lernen erworben werden und notwendig sind, um beschreibbare Anforderungen in spezifischen Domänen zu bewältigen (vgl. Klieme & Hartig, 2007; Klieme, Hartig & Rauch, 2008; Mayer, 2003; Simonton, 2003). In einem weiteren Verständnis als „Handlungskompetenz“ (Weinert, 2001b) umfasst der Begriff zusätzlich motivationale, metakognitive und selbstregulative Merkmale, die als entscheidende Voraussetzungen für die Bereitschaft zu handeln gesehen werden (Connell, Sheridan & Gardner, 2003; Weinert, 2001a, 2001b). [COA11_02, S. 31]
- Dieses Zitat ist auch aufgeführt unter Kompetenz.
Ergebnisse der COACTIV-Studie
- Die Enge des Zusammenhangs zwischen Fachwissen und Fachdidaktischem Wissen variiert dabei in Abhängigkeit von der Schulform, an der eine Lehrkraft unterrichtet: Bei Gymnasiallehrkräften scheinen die beiden Wissensbereiche stärker vernetzt zu sein als bei Lehrkräften anderer Schulformen (...) Der jeweilige Wissensstand der Lehrerinnen und Lehrer hängt dabei deutlich mit der Art der Lehramtsausbildung zusammen, nicht jedoch mit der Dauer der Berufserfahrung. [COAW, Hauptergebnisse]
- Deutliche Differenzen auf den Dimensionen der Unterrichtsqualität ergeben sich jedoch aus Sicht der Schülerinnen und Schüler zwischen Haupt- und Gymnasialschülern. Schülerinnen und Schüler der Hauptschule berichten von einem Unterricht, der durch individuelle Unterstützung und kognitive Herausforderungen bei einem gleichzeitig hohen Ausmaß an Störungen und Disziplinproblemen gekennzeichnet ist. Die Gymnasialschüler hingegen beschreiben einen störungsarmen, wenig fordernden Unterricht, in welchem sie sich von der Lehrkraft wenig individuell unterstützt fühlen. Abgesehen von der Beurteilung des kognitiven Gehalts des Unterrichts stimmen Lehrer- und Schülerurteile in Hinsicht auf das Unterrichtsgeschehen weitgehend überein. [COAW, Hauptergebnisse]
- Die bisherigen Analysen zeigen, dass Unterschiede in der Unterrichtsqualität systematisch auf spezifische Aspekte der Kompetenz zurückzuführen sind. Das Fachdidaktische Wissen allein sagt das Ausmaß der kognitiven Aktivierung der Schüler im Unterrichtsgeschehen voraus. [COAW, Hauptergebnisse]
- Das Ausmaß der von den Schülerinnen und Schülern erlebten individuellen Lernunterstützung durch die jeweilige Lehrkraft ist hauptsächlich auf einen Selbstregulationsstil zurückzuführen, der durch ein hohes Maß an beruflichem Engagement bei gleichzeitiger Fähigkeit, sich auch von Arbeitsbelangen zu distanzieren und Probleme aktiv zu bewältigen, gekennzeichnet ist. [COAW, Hauptergebnisse]
- Es findet sich (zumindest teilweise) empirische Unterstützung für die Annahme, dass kognitive Aktivierung, Klassenführung und individuelle Unterstützung einen positiven Effekt auf die Entwicklung der mathematischen Kompetenz auf Schülerseite haben. [COAW, Hauptergebnisse]
- Die Befunde aus der COACTIV-Hauptstudie sowie weiterer Datenquellen zeigen, dass sich die von uns theoretisch angenommene Struktur eines mehrdimensionalen Wissensmodells, das aus zwei korrelierenden Faktoren (Fachwissen und fachdidaktisches Wissen, dieses wiederum mit den genannten Subdimensionen) besteht, empirisch nachweisen lässt (...) [COA11_02, S. 38]
- Analysen zum Zusammenhang des mathematikspezifischen Wissens zur Unterrichtsqualität und zum Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler wiesen darauf hin, dass Fachwissen und fachdidaktisches Wissen insbesondere für das Potenzial zur kognitiven Aktivierung und die Unterstützung der Lernenden bedeutsam sind (...). Für die Effizienz der Klassenführung erwies sich dagegen weder das Fachwissen noch das fachdidaktische Wissens als statistisch bedeutsam. Wie effizient die Klassenführung gelingt, hängt vermutlich von der Ausprägung des generellen pädagogisch-psychologischen Wissens der Lehrkräfte ab. [COA11_07, S. 193]
Allgemein zum Modell
- In einer Verbindung der beschriebenen professionstheoretischen Überlegungen und der Kompetenzliteratur haben wir das COACTIV-Modell der professionellen Kompetenz von Lehrkräften formuliert. Danach entsteht professionelles Handeln aus dem Zusammenspiel von spezifischen, erfahrungsgesättigten deklarativen und prozeduralen Wissen (...); professionellen Werten, Überzeugungen, subjektiven Theorien, normativen Präferenzen und Zielen; motivationalen Orientierungen sowie Fähigkeiten der professionellen Selbstregulation. [COA11_02, S. 33]
- Information: In Quelle als stichpunktartige Auflistung.
- [W]ir [verstehen] unter professioneller Kompetenz ein Bündel unterschiedlicher berufsbezogener Voraussetzungen, nämlich das Wissen, die Überzeugungen sowie motivationale und selbstregulative Merkmale, die im Wechselspiel miteinander stehen und bestimmen, wie gut eine Lehrkraft die Anforderungen ihres Berufs bewältigen kann. [COA11_03, S. 55]
- Wir unterscheiden die genannten vier Kompetenzaspekte (Wissen, Überzeugungen, Motivationen und Selbsregulation), die sich jeweils aus spezifischeren Kompetenzbereichen - abgeleitet aus der zu dieser Thematik bisher vorliegenden Forschungsliteratur - zusammensetzen. Die Kompetenzbereiche können sich dann in Kompetenzfacetten differenzieren, die durch konkrete Indikatoren operationalisiert werden. [COA11_02, S. 33]
- Information: Hervorhebungen, wie in Quelle.
Kompetenzaspekte
Professionswissen
- [Wir unterscheiden] drei Arten von Wissen (Shulman, 1986, 1987): Fachwissen: Vertieftes Hintergrundwissen und Verständnis der schulischen Fachinhalte. Fachdidaktisches Wissen: Wissen darüber, wie Fachinhalte Schülern verfügbar gemacht werden können. Dabei unterscheiden wir drei Facetten: Wissen über das Erklären und Repräsentieren von mathematischen Inhalten (...) Wissen über das Potenzial des Schulstoffs für die Lernprozesse (...) Wissen über fachbezogene Schülerkognitionen (...) Pädagogisches Wissen: Generelles, fachübergreifendes Wissen, welches zur Gestaltung und Optimierung der Lehr-/Lernsituation notwendig ist (...) [COAW, Wissen]
- Anmerkung: Auszeichnung (kursiv) nicht im Original.
- Shulman entwickelte einen Vorschlag für die strukturbildenden Dimensionen des professionellen Wissens von Lehrkräften, den Bromme später erweiterte. Beide insistierten (...) auf der Bedeutung, die der spezifische Fachinhalt für das Denken, Wissen und Handeln von Lehrkräften habe. Mit der Betonung, dass erfolgreiches Unterrichten vor allem aufgrund einer gut vernetzten und umfangreichen domänenspezifischen Wissensbasis ermöglicht wird und dass diese Wissensbasis im Rahmen der strukturierten Lehreraus- und Weiterbildung vermittelbar ist, [….]. [COA11_02, S. 30]
- Verweise auf Arbeiten von Shulman (1986, 1987) und Bromme (1992, 1997), weiterhin Grossman und Stodolsky (1995), sowie (Hyle, 2001; Shulman, 1998).
- Im Kompetenzmodell von COACTIV haben wir als zentrale Wissensdimensionen Fachwissen, fachdidaktisches Wissen und - in erweiterter Form - allgemeines pädagogisches Wissen übernommen und um zwei weitere Dimensionen, nämlich Organisationswissen (Fried, 2002; Shulman, 1987) und Beratungswissen, auf welches Professionelle in der Kommunikation mit Laien angewiesen sind, ergänzt (Bromme & Rambow, 2001; Hertel, 2009; Hertel, Bruder & Schmitz, 2009; Rambow & Bromme, 2000). [COA11_02, S. 34]
- [... Die] durchgeführte Testentwicklung von COACTIV und des Anschlussprojekts COACTIV-Referendariat (COACTIV-R) konzentrierte sich in erster Linie auf theoretisch-formales Wissen; primäres Ziel war es, ein konzeptuelles Verständnis der Domäne zu prüfen. In den Bereichen des fachdidaktischen und generischen pädagogisch-psychologischen Wissens sollte aber auch versucht werden, gewisse Aspekte des praktischen Wissens zu erfassen (...). [COA11_02, S. 35]
- Wir haben uns in COACTIV bei der empirischen Prüfung des Kompetenzmodells auf die drei Bereiche, die unmittelbare Handlungsrelevanz für die Unterrichtsgestaltung von Lehrkräften aufweisen, nämlich das Fachwissen, das fachdidaktische Wissen und das pädagogisch-psychologische Wissen, beschränkt. Dabei galten die theoretischen Annahmen, dass fundiertes Fachwissen eine Bedingung für die Entwicklung und Vertiefung des fachdidaktischen Wissens darstellt und dass das fachdidaktische Wissen und das pädagogisch-psychologische Wissen sich unmittelbar im Unterrichtshandeln der Lehrkräfte manifestieren. [COA11_02, S. 40-41]
- Das professionelle Wissen wurde durch Tests erhoben, die teils schriftlich, teils computerunterstützt administriert wurden. Überzeugungen, motivationale Orientierungen und selbstregulative Fähigkeiten der Lehrkräfte wurden durch Selbstberichte in Fragebögen erfasst. [COA11_04, S. 77]
- Alle Unterrichtsmerkmale wurden sowohl aus Schüler- als auch aus Lehrersicht über Fragebögen erfasst. Als zusätzliche Informationquelle für den Unterricht dienten die von den Lehrkräften eingereichten Unterrichts- und Prüfungsunterlagen wie Klassenarbeiten, Hausaufgaben und Unterrichtsaufgaben bei der Einführung eines neuen Stoffgebiets. [COA11_04, S. 77]
Fachwissen und fachdidaktisches Wissen
- COACTIV teilt mit der Projektgruppe um Ball und der IEA-Gruppe insofern einen gemeinsamen theoretischen Ansatz, als der Fokus auf dem mathematischen Wissen liegt, das für Verständnis vermittelndes Unterrichten notwendig ist. (...) Im Rahmen von COACTIV werden theoretisch vier Formen mathematischen Wissens unterschieden, die teils unterschiedliche Grade der stofflichen Durchdringung widerspiegeln: akademisches Forschungswissen, ein profundes Verständnis der mathematischen Hintergründe der in der Schule unterrichteten Inhalte, Beherrschung des Schulstoffs auf einem zum Ende der Schulzeit erreichbaren Niveau und mathematisches Alltagswissen von Erwachsenen, das auch nach Verlassen der Schule noch präsent ist. [COA11_02, S. 37]
- Von diesem spezifischen Fachwissen wird theoretisch das fachdidaktische Wissen unterschieden, das mathematisches Fachwissen voraussetzt, aber selbst ein besonderes unterrichts- und schülerbezogenes fachliches Wissen darstellt. COACTIV unterscheidet innerhalb des fachdidaktischen Wissens drei Dimensionen:
- Wissen über das didaktische und diagnostische Potenzial, die kognitiven Anforderungen und impliziten Wissensvoraussetzungen von Aufgaben, ihre diadaktische Sequenzierung und die langfristige curriculare Anordnung von Stoffen,
- Wissen über Schülervorstellungen (Fehlkonzeptionen, typische Fehler, Strategien) und Diagnostik von Schülerwissen und Verständnisprozessen,
- Wissen über multiple Repräsentations- und Erklärungsmöglichkeiten. [COA11_02, S. 37-38]
- Shulman hebt zwei Teilaspekte des fachdidaktischen Wissens hervor, das Wissen über Erklären und Darstellen (...) und die Bedeutung des Wissens über fachbezogene Schülerkognitionen (...) Ein speziell für das Unterrichtsfach Mathematik spezifischer Aspekt ist in Shulmans (prinzipiell für alle Schulfächer gültigen) Charakterisierung jedoch nicht berücksichtigt: Aufgaben spielen im Mathematikunterricht eine hervorgehobene Rolle (...) Deshalb soll didaktisches Wissen über „Aufgaben“ neben den beiden oben genannten Aspekten zu einer weiteren Subskala mathematikdidaktischen Wissens werden (...). [COA11_06, S. 136]
- Fachwissen wird gemeinhin als notwendige Grundlage gesehen, auf der fachdidaktische Beweglichkeit entstehen kann (...). Für Shulman sollten Lehrerinnen und Lehrer neben Faktenwissen aber auch über Argumentations- und Begründungskompetenz für Zusammenhänge innerhalb des Fachs verfügen. „Substantive structure“ (nach Schwab, 1978) meint sogar noch mehr, nämlich die spezifischen Vorgehensweisen eines Fachs, sein Wissen zu organisieren. [COA11_06, S. 137]
Pädagogisch-psychologisches Wissen
- Neben dem fachbezogenen Wissen besitzen Lehrkräfte fachunabhängiges Wissen über die Gestaltung von Lehr-Lern-Prozessen (...) [COA11_02, S. 38]
- In COACTIV-R wurde der theoretische Rahmen für das generische pädagogisch-psychologische Wissen - ein Ausschnitt des allgemeinen pädagogischen Wissens und Könnens - mit den Dimensionen Klassenführung, Unterrichtsmethoden, Daignostik, Lernprozesse und Heterogenität konkretisiert (Voss, Kunter & Baumert, 2009; Kap. 9). [COA11_02, S. 39]
- Dieses generelle pädagogische Wissen wird oft vornehmlich auf die Klassenführung bezogen (...), also die Kompetenz der Lehrkraft, den Unterricht störungspräventiv und effizient zu strukturieren. [COA11_07, S. 193]
- Damit es Lehrkräften gelingt, diese Prozesse effektiv vorstrukturieren und orchestrieren zu können, erfordert es zum einen Wissen um eine effektive Klassenführung sowie zum anderen Wissen um verschiedene Unterrichts- und Beurteilungsmethoden und deren zieladäquaten Einsatz (...) [COA11_07, S. 193]
- Soziale ko-konstruktive Aushandlungsprozesse.
- Das generelle pädagogisch-psychologische Wissen wird demnach definiert als Wissen, das für eine erfolgreiche Gestaltung und Optimierung der Lehr-Lern-Situation in verschiedenen Unterrichtsfächern nötig ist und deklarative sowie prozedurale Aspekte über folgende Bereiche beinhaltet (Voss, Kunter & Anders, 2010; Voss, Kunter & Baumert, 2010).
(A) Wissen über Klassenprozesse:
- Wissen über effektive Klassenführung,
- Wissen über Unterrichtsmethoden und deren zieladäquate Orchestrierung,
- Wissen über die Prüfung und Bewertung von Schülerleistungen.
(B) Wissen über Schüler und Quellen für Heterogenität der Schülerschaft:
- Wissen darüber, wie Schülerinnen und Schüler lernen,
- Wissen über individuelle Unterschiede und Besonderheiten und welche besonderen Anforderungen diese an die Unterrichtsgestaltung stellen.
[COA11_07, S. 194-195]- Auszeichnung, wie in Quelle.
- Klassenführung bezieht sich auf die Steuerung und Koordination des sozialen Klassengefüges, um die zur Verfügung stehende Zeit für verständnisvolle Lernprozesse und soziale Aushandlungsprozesse zu maximieren und möglichst wenig Zeit durch ordnende Maßnahmen zu verlieren (Doyle, 1986, 2006). [COA11_07, S. 195]
- Erfolgreiches Unterrichten kann nur möglich sein, wenn verschiedene Varianten und Ansätze zur Verfügung stehen und in Abhängigkeit der Bedingungen situations- und zieladäquat eingesetzt werden. Diese Methodenvielfalt kann nur dann im Unterricht erreicht werden, wenn eine Lehrkraft auf eine profunde Wissensbasis über verschiedene unterrichtsmethodische Ansätze zurückgreifen kann. [COA11_07, S. 196]
- Hierzu [Anm.: zum Erkennen von Besonderheiten] ist Wissen über die Symptomatologie - sowohl von Leistungsbenachteiligungen als auch von besonderen Begabungen - vonnöten, begleitet von Wissen über Fördermöglichkeiten und Strategien, wie diese Besonderheiten im Sinne einer inneren Differenzierung im Unterricht unterstützt werden können. [COA11_07, S. 198]
Beratungs- und Organisationswissen
- Wenn wir im Kompetenzmodell von COACTIV Beratungswissen von allgemeinem pädagogischen Wissen einerseits und Fachwissen und fachdidaktischem Wissen andererseits als separate Wissensdimension trennen, beruht dies auf der theoretischen Annahme, dass es sich bei Beratungswissen in der Regel um sozial verteiltes und weitgehend fachunabhängiges Wissen handelt, das im Vollzug der Beratung gebündelt und addressatenspezifisch interpretiert werden muss. [COA11_02, S. 40]
- Ebenso nimmt das Organisationswissen, das sich auf die Funktionslogik und die Funktionsfähigkeit des Bildungssystems und der einzelnen Bildungseinrichtungen bezieht, als Komponente professioneller Kompetenz im Rahmen von COACTIV und COACTIV-R eine Sonderstellung ein. [COA11_02, S. 40]
- (...) deutliche Konsenszonen, nach denen sich professionelle Wissensfacetten ordnen lassen: (1) Bildungssysteme und seine Rahmenbedingungen, (2) Steuerung, Governance und Transparenzsicherung, (3) Schulorganisation, Schulökologie, Schulverfassung, Rechtsstellung von Schülern, Eltern und Lehrkräften und Aufgaben der Schulleitung, (4) Schulqualität und Schuleffektivität sowie (5) Schultheorien. [COA11_02, S. 40]
- Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Professionswissen von Lehrkräften aus mehreren Bereichen besteht, die eine unterschiedliche Nähe zum Unterrichtsgeschehen aufweisen. [COA11_02, S. 40]
Motivationale Orientierungen
- Motivationale Orientierungen und selbstregulative Fähigkeiten sind für die psychische Dynamik des Handelns, die Aufrechterhaltung der Intention und die Überwachung und Regulation des beruflichen Handelns über einen langen Zeitraum verantwortlich. Beide Aspekte sind somit zentrale Merkmale der psychologischen Funktionsfähigkeit von handelnden Personen. [COA11_02, S. 42]
Kontroll- und Selbstwirkamkeitsüberzeugungen
- Selbstwirksamkeitsüberzeugungen scheinen eine wichtige Komponente der psychischen Regulationsfähgkeit im professionellen Handlungskontext von Lehrkräften zu sein (...) Die Entwicklung der Selbstwirksamkeit von Lehrkräften scheint auch von der jeweiligen berufsbiografischen Phase und dem sozialen Kontext einer Schule und des Kollegiums abhängig zu sein (Goddard, Hoy & Hoy, 2004). [COA11_02, S. 43]
- Im Rahmen von COACTIV ud COACTIV-R werden berufliche Selbstwirksamkeitsüberzeugungen mit Bezug auf Unterricht und sonstige schulische Anforderungen erfasst. Allerdings haben wir den Bereich der Selbstwirksamkeitsüberzeugungen angesichts des überzeugenden empirischen Forschungsstands (...) bei der empirischen Prüfung des Kompetenzmodells peripher behandelt (...) [COA11_02, S. 43]
Intrinsische motivationale Orientierung (Enthusiasmus)
- Üblicherweise wird dabei Enthusiasmus als mehr oder weniger instrumentell-strategisches Verhalten im Klassenzimmer verstanden, das der Sicherung der Schülermotivation dient (...). [COA11_02, S. 44]
- Im Unterschied zu dieser instrumentellen Konzeption von Lehrerenthusiasmus als Engagement im Unterricht konzeptualisiert COACTIV Enthusiasmus als ein Personenmerkmal der Lehrkräfte (Kunter et al., 2008). [COA11_02, S. 42]
- Lehrerenthusiasmus bezeichnet dann den Grad des positiven emotionalen Erlebens während der Ausübung der Lehrtätigkeit. Kunter et al. (2008) unterscheiden darüber hinaus in Anlehnung an Schiefele (1998) eine gegenstands- und eine tätigkeitsbezogene Facette des Lehrerenthusiasmus, die sich entweder auf die Beschäftigung mit dem Gegenstand des Unterrichts, in der Regel das Fach, oder auf die fachbezogene Unterrichtstätigkeit selbst bezieht. [COA11_02, S. 42]
Selbstregulation
- Vor diesem theoretischen Hintergrund und basierend auf den Arbeiten von Schaarschmidt und Fischer (1997) lassen sich entlang der Merkmale des beruflichen Engagements als Strategie der Ressourceninvestition und der Widerstandsfähigkeit als Strategie der Ressourcenerhaltung vier verschiedene Typen der Selbstregulation identifizieren, die unterschiedlich effektiv mit ihren Ressourcen haushalten können. [COA11_02, S. 44-45]
- COACTIV untersucht die Frage, inwieweit sich die Fähigkeit zur Selbstregulation im beruflichen Wohlbefinden der Lehrkräfte sowie ihrem Unterrichtsverhalten widerspiegelt (...) [COA11_02, S. 45]
Überzeugungen/Werthaltungen/Ziele
- Lehrkräfte bilden im Verlaufe ihrer beruflichen Entwicklung differenzierte Überzeugungen über die Struktur ihres Faches sowie darüber aus, wie Lernprozesse im Fach gelingen. Bisherige Untersuchungen zeigen, dass sich bei diesen Vorstellungen häufig zwei Grundüberzeugungen unterscheiden lassen, nämlich ob Lehrkräfte Lernen als das Resultat von direkter Informationsvermittlung oder als aktive Konstruktion von Wissen ansehen (Pajares, 1992; Peterson, Fennema, Carpenter, & Loef, 1989; Staub & Stern, 2002). [COAW, Überzeugungen]
- In dem von uns vorgeschlagenen generischen Modell der professionellen Handlungskompetenz sind Wissen und Können (knowledge) einerseits sowie Werthaltungen (value commitments) und Überzeugungen (beliefs) andererseits kategorial getrennte Kompetenzfacetten. Wissen und Überzeugungen beanspruchen einen unterschiedlichen epistemologischen Status, auch wenn die Übergänge fließend sind.[COA11_02, S. 41]
- Information: epistemologisch = die Erkenntnistheorie betreffend; erkenntnistheoretisch
- Hervorhebungen, wie in der Quelle.
- Einen Sonderstatus nehmen selbstbezogene Kognitionen ein, die üblicherweise im Rahmen von Theorien der Handlungsmotivation thematisiert und behandelt werden. Auch in COACTIV ordnen wir sie diesem Kompetenzaspekt zu (...)
Innerhalb des Komplexes von Werthaltungen und Überzeugungen können somit systematisch Wertbildungen (...), epistemologische Überzeugungen (...), subjektive Theorien über Lehren und Lernen sowie Zielsysteme unterschieden werden. [COA11_02, S. 42]- Information: epistemologisch = die Erkenntnistheorie betreffend; erkenntnistheoretisch
Erweiterung des Modells
In [COA11_03] wird eine Erweiterung des obigen theoretischen Kompetenzmodells angebracht. An dieser Stelle dazugehörige Zitate.
Es handelt sich um ein Entwicklungsmodell, das Voraussetzungen, Kontexte und Konsequenzen der professionellen Kompetenz von Lehrkräften berücksichtigt.
Es handelt sich um ein Entwicklungsmodell, das Voraussetzungen, Kontexte und Konsequenzen der professionellen Kompetenz von Lehrkräften berücksichtigt.
- Das Kompetenzmodell von COACTIV, das davon ausgeht, dass verschiedene berufsbezogenee Merkmale wie Wissen, Überzeugungen sowie motivational und selbstregulative Merkmale die entscheidenden Voraussetzungen für erfolgreiches Handeln in beruflichen Situationen sind, kann als Integration zwischen den beiden konkurrierenden Ansätzen gesehen werden. [COA11_03, S. 58]
- Mit Ansätzen sind die Eignungs- und Qualifikationshypothese gemeint.
- Es wird außerdem angenommen, dass sich Lehrkräfte diese Merkmale im Verlauf der beruflichen Entwicklung aneignen (Qualifikationen), dass aber dieser Entwicklungsprozess auch durch bestimmte berufsunspezifische Eingangsvoraussetzungen beeinflusst wird.
Diese Prämisse ist die Grundlage eines Modells zu Antezedenzien und Konsequenzen der professionellen Kompetenz von Lehrkräften, das Befunde aus COACTIV und Ansätze aus der Kompetenzliteratur, zum Teil aus anderen Bereichen, integriert. (...) [COA11_03, S. 58]- Antezedenzien entspricht "Grundlagen, Voraussetzungen" bzw. "Gegenteil von Konsequenz".
- Das COACTIV-Kompetenzentwicklungsmodell stellt mit der gleichzeitigen Betrachtung individueller Unterschiede und Lerngelegenheiten eine Integration der Eignungs- und der Qualifikationsansatzes dar. [COA11_03, S. 63]
- Der Kompetenzansatz erweitert allerdings die herkömmliche [Qualifikations]argumentation mit der Betonung, dass die Entwicklung von Kompetenz erst durch die aktive Nutzung von Lernangeboten, welche interindividuell variieren kann, stattfindet und dass Kompetenz sich auch nach der Ausbildung in weiteren Lernsituationen erfahrungsbasiert vertieft. [COA11_03, S. 63]
- Weiterhin greift der Kompetenzansatz die Annahme der persönlichen Eignung auf, da er davon ausgeht, dass individuelle Unterschiede in den berufsspezifischen Kompetenzen bestehen, die zum Teil durch unterschiedliche - eher als stabil anzusehende - persönliche Voraussetzungen verursacht wurden. [COA11_03, S. 63]
Eignungs- und Qualifizierungshypothese
- Wir stellen anschließend ein Modell zur Entwicklung professioneller Kompetenzen von Lehrkräften vor, das eine Erweiterung des bereits beschriebenen Kompetenzmodells darstellt und als Integration verschiedener theoretischer Ansätze zur Erklärung und Entwicklung interindividueller Unterschiede in der Kompetenz von Lehrkräften verstanden werden kann. [COA11_03, S. 55]
- Die Sichtung der Literatur zur Lehrerkompetenz und Lehrerbildung zeigt, dass sich zwei Argumentationslinien identifizieren lassen, die jeweils auf unterschiedlichen Annahmen darüber beruhen, warum individuelle Differenzen zwischen Lehrkräften bestehen (...) Unterschiede in der beruflichen Kompetenz können (...) durch unterschiedliche persönliche Eignung oder durch jeweils unterschiedliche Qualifikation, also Ausbildungsergebnisse, bedingt sein. [COA11_03, S. 56]
- Im Folgenden werden diese Argumentationslinien Eignungs- und Qualifikationshypothese bezeichnet.
- Gemeint sind damit Personenunterschiede in kognitiven Fähigkeiten, Verhaltens- und Erlebenstendenzen oder motivationalen Tendenzen, die situations- und kontextübergreifend zutage treten, somit also berufsunspezifisch sind. (...) Diese persönliche Eignung bezieht sich zumeist auf die Rolle der Lehrkraft als Vermittler von Wissen und somit auf bestimmte kognitive Voraussetzungen der Lehrkraft. (...) Insbesondere Flexibilität im Denken und schnelles Problemlösen, also gute allgemeine kognitive Fähigkeiten werden als zentral für effektives Unterrichten angesehen (...) [COA11_3, S. 56]
- Bezieht sich auf Eignunghypothese (für den Lehrerberuf).
- Gemeinsam ist (...) bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, die nicht spezifisch für den Lehrerberuf sind und in ihrer relativen Ausprägung schon vor dem Beginn der Lehrerkarriere bestanden, zentral für den Erfolg von Lehrkräften sind. [COA11_3, S. 56-57]
- Bezieht sich auf Eignunghypothese (für den Lehrerberuf).
- (...) Vertreter der Qualifikationshypothese [nehmen] einen berufsspezifischen Standpunkt ein und betonen die Art und Weise der Ausbildung von Lehrkräften als die wichtigste Ursache für Unterschiede im beruflichen Erfolg, und zwar unabhängig von deren Eingangsvoraussetzungen (...) [Es] ließen sich sich doch grundlegende Konzepte und Prinzipien vermitteln, die eine entscheidende Grundlage für späteres erfolgreiches Unterrichten darstellen (...) [COA11_3, S. 57]
- Bezieht sich auf Qualifikationshypothese.
- Darüber hinaus bezieht sich die Eignungshypothese zwar stark auf kognitive Merkmale, thematisiert aber auch motivationale Unterschiede, während sich die Qualifikationshypothese fast ausschließlich auf kognitive Merkmale, vor allem das professionelle Wissen bezieht. [COA11_3, S. 57]
- Die Eignungs- und die Qualifikationshypothese setzen jeweils unterschiedliche Schwerpunkte darin, wie Unterschiede im professionellen Handeln von Lehrkräften erklärt werden. Währed im ersten Fall vor dem Eintritt in die Lehrerlaufbahn bestehende individuelle Eingangsvoraussetzungen die entscheidende Rolle zugedacht wird, sind es im zweiten Fall vor allem die unterschiedlichen Qualitäten der explizit lehrerbezogenen Lerngelegenheiten, die Lehrkräfte erleben und die für Unterschiede im professionellen Wissen verantwortlich sind. [COA11_3, S. 57]
Konsequenzen
- Günstige Ausprägungen (z.B. hohes Wissen, adaptive Motivation) würden somit effektives Handeln fördern, das sich in beruflichem Erfolg äußert. Dabei lässt sich „Erfolg“ anhand verschiedener Ergebnisse beurteilen. Das zentrale Erfolgskriterium stellen die Lernerfolge und Entwicklungsverläufe der unterrichteten Schülerinnen und Schüler dar (...) aber auch lehrerseitige Kriterien (...) wie außerunterrichtliches Engagement in der Schulentwicklung, Innovativität oder der eigene berufliche Aufstieg und die Weiterentwicklung der eigenen Karriere (...) [können herangezogen werden] [COA11_03, S. 58-59]
Individuelle Eingangsvoraussetzungen
- Kompetenzaufbau ist allerdings kein passiver Automatismus, sondern ist - genauso wie wir es für das Lernen von Schülern annehmen - von der individuellen Nutzung der Lerngelegenheit durch die Lernenden - also in diesem Fall die Lehrkräfte - abhängig (vgl. Helmke, 2009. Die unterschiedliche Nutzung kann sich dabei auf die Wahl von Lerngelegenheiten, aber auch auf die Intensität und Qualität der kognitiven Verarbeitung der Lerninhalte beziehen. [COA11_03, S. 62]
- Kompetenz, so die Grundaussage des Modells, entwickelt und vertieft sich in der aktiven Nutzung von diversen Lerngelegenheiten, die durch individuelle Voraussetzungen moderiert werden kann (...) [COA11_03, S. 62]
- Dagegen lassen sich (...) verschiedene individuelle Personenmerkmale ableiten, die Prädiktoren für mehr oder weniger erfolgreiche Lern- und Entwicklungsprozesse sein können. Hierzu zählen unter anderem relevante Vorerfahrungen, allgemeine kognitive Fähigkeiten, selbstbezogene Überzeugungen, grundlegende Motive und Zielorientierungen. [COA11_03, S. 62]
Lerngelegenheiten
- Es wird davon ausgegangen, dass explizit geschaffene Lerngelegenheiten, wie sie in der Phase der Lehrerausbildung und später in der Weiterbildung zu finden sind, die wichtigsten Grundlagen für diese Veränderungsprozesse darstellen. Darüber hinaus entwickeln sich jedoch Wissen, Überzeugungen und motivational-selbstregulative Merkmale auch durch das Handeln in konkreten beruflichen Situationen mit entsprechender Reflektion (...) [COA11_03, S. 60]
- Veränderungsprozesse bzgl. der Unterschiede in der professionellen Kompetenz.
- Zur Systematisierung der Vielzahl an berufsbezogenen Lernsituationen lassen sich unter anderem formale, nonformale und informelle Lerngelegenheiten unterscheiden (Eraur, 2004; Tynjälä, 2008). [COA11_03, S. 60]
- Informelle Lernsituationen können weiterhin dahingehend unterschieden werden, wie stark eine bewusste Reflektion über das Lernen stattfindet (Eraur, 2004): so erfolgt in absichtsvollen (deliberate) Lernsituationen Lernen bewusst und reflektiert, in reaktiven (reactive) Lernsituationen bewusst, aber wenig reflektiert, und in impliziten (implicit) Lernsituationen unbewusst. [COA11_03, S. 60]
- Es ist anzunehmen, dass gerade das professionelle Wissen sowie die Überzeugungen über Lehren und den Lehrerberuf in besonderem Maße von dieser formalen Ausbildung geprägt werden (...) [COA11_03, S. 60]
- Die formale Qualifikation der Lehrerausbildung.
- Doch die Kompetenzentwicklung von Lehrkräften endet nicht nach Abschluss der Ausbildung, sondern findet ihre Weiterführung im praktischen beruflichen Handeln sowie im kontinuierlichen Weiterlernen im Rahmen von Fortbildungs- und anderen Lernangeboten (Terhart, 2001). (...) Auch in anderen, nicht lehrerbezogenen Kontexten wird die aktive berufliche Weiterbildung als zentrale berufliche Aufgabe gesehen (Faulstich, 2008). [COA11_03, S. 61]
- Gerade für die motivational-selbstregulativen Aspekte der Kompetenz ist anzunehmen, dass implizite Lernprozesse im Zuge des tatsächlichen praktischen Handelns mit seinen Erfolgen und Misserfolgen sowie die Modellwirkungen anderer Kollegen eine besondere Rolle spielen. Die Entwicklung berufsbezogener motivationaler Orientierungen wie intrinsischer Motivation und Selbstwirksamkeit wird besonders durch eigenes Kompetenzerleben und positives Feedback sowie Merkmale des Kontexts (z. B. Autonomieunterstützung) beeinflusst (...) [COA11_03, S. 61]