Förderliche Lernumgebung

Aus digiteach
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Steckbrief
Name Förderliche Lernumgebung
Dimension didaktisch
Notwendigkeit für das Szenario obligatorisch
Messbarkeit absolut

Das Kriterium Förderliche Lernumgebung umfasst für digitale Lehr - Lern - Szenarios verschiedene Aspekte des digitalen Mediums, Um ein selbstgesteuertes, selbstreflektiertes und soziales Lernen mit möglichst hohem kognitivistischen und konstruktivistischen Anteil zu erreichen. Dafür bedarf es Überlegungen in den Bereichen der Interaktivität und Selbstständigkeit der Lernenden, sowie der Rolle der Lehrkraft.

Kriterium

Die Verwendung des digitalen Mediums ermöglicht eine für digitalen Unterricht angemessene Lernumgebung, in der ein selbstständiger und interaktiver Lernprozess eröffnet wird.[1][2]

Beschreibung

Zu prüfende Merkmale

  • Zur Kreation einer förderlichen Lernumgebung erhält die Lehrkraft durch das digitale Medium die Chance die zentrale Rollenfigur im Lehr-Lern-Prozess zu verlassen und alternativ zu besetzen. [3] Mögliche einnehmbare Rollen sind:
    • lernbegleitende Rolle [3]
    • Beraterrolle [4]
    • Beobachterrolle [4]
    • Moderatoren- und Initiatorenrolle [4]
  • Zur Kreation einer förderlichen Lernumgebung muss das digitale Medium auf einen hohen Interaktivitätsgrad (IG) geprüft werden.[2] Der Grad der Interaktivität nach Schulmeister beschreibt die Ebenen, inwieweit die Lernenden in Wechselseitigkeiten mit dem digitale Medien treten können. An folgenden Stufen kann sich orientiert werden: [5]
  1. Objekte betrachten/rezipieren
    IG 1 - Eine GIF-Animation zur Darstellung des Selectionsort-Algorithmus lässt keine interaktiven Eingriffe zu.
    • vorgefertigte Multimedia-Komponenten zum betrachten und abspielen (Ton, Film, Flash-Animationen) ohne weiteren Einfluss
    • Multimedia-Komponenten haben können nur betrachtet, gelesen oder angehört werden.
  2. Multiple Darstellungen betrachten/rezipieren
    • Es existieren für einige Komponenten mehrere Optionen.
    • Mehrfaches individuelles Wiederholen einer Komponente ist möglich.
  3. Repräsentationsform variieren
    • Benutzer haben aktiven Einfluss auf die Darbietung der Multimedia-Komponente
    • Direkte Manipulationen sind mögliche (z.B. Skalierung eines Bildes oer Verzweigungen eines Films)
  4. Inhalt beeinflussen
    IG 4 - SQL Island ermöglicht verschiedene Ausgaben einer festen Datenbank durch freie Abfragen.
    • Multimedia-Komponenten sind auf dieser Stufe nicht vorgefertigt, sondern werden auf Anforderung durch die Benutzer erst generiert.
    • Erzeugung neuer Darstellungsweisen in gewissen gesetzten Rahmens durch die freie Eingabe von Daten oder durch Variieren von Parametern ist möglich.
  5. Inhalt konstruieren; Prozesse generieren
    IG 5 - GeoGebra
    • Auf der Seite des Lernpgramms existieren Werkzeuge, mit denen sie selbst ihre Gedanken visualisieren bzw. konstruieren.
    • Lernenden können ihre eigenen Ideen nicht nur ausdrücken, sondern vorallem unmittelbar testen.
  6. konstruktive und manipulierende Handlungen mit situationsabhängigen Rückmeldungen
    • Das Ergebnis der Manipulation wird durch das Programm so interpretiert, dass eine situativ sinnvolle Rückmeldung generiert wird.
    • z.B durch Virtuellen Realität bzw. der Augmented Reality
Zur Rechtfertigung der sechsten Stufe liefert Schulmeister (2002) folgende Gründe:
"Es ist in der Tat zutreffend, dass wir mit der fünften Stufe der Taxonomie die Handlungen des Benutzers abgeschlossen haben: Er kann Inhalte selbst einbringen, neue eigene Lernobjekte generieren und zugleich die Repräsentationsform modifizieren. Damit, so könnte man meinen, sei die Systematik abgeschlossen. Nun betrachten wir die Lernobjekte, mit denen der Benutzer handelt, bis dahin aber nur als reaktive Objekte. Stattdessen besteht darüber hinaus die Möglichkeit, dass die Lernobjekte zu diesen Handlungen Rückmeldung erteilen, selbst initiativ werden, korrigieren oder tutorieren, also selbst aktiv werden. Zwar unterliegt ein solches Verhalten noch starken Beschränkungen, weil Computer kein Sinnverstehen betreiben können, aber es lassen sich doch anspruchsvolle Rückmeldeprozesse in Abhängigkeit von sinnigen oder unsinnigen Benutzerhandlungen konzipieren. Dies ist der Grund, warum mir eine sechste Stufe sinnvoll und notwendig erscheint."[5]
  • Zur Kreation einer förderlichen Lernumgebung muss das digitale Medium auf einen hohen Selbstständigkeitsgrad (SG) geprüft werden.[2][6] Im folgenden werden die Grade der Selbstständigkeit genannt und mit exemplarischen Merkmalen untermauert. Eine Vermischung der Grade ist möglich. Da die Einteilung sich an den Kompetenzebenen des selbstständigen Lernens nach Winkel (1990) orientiert, kann auch innerhalb des digitalen Mediums ein dynamischer Wechsel zwischen einzelnen Graduierungsstufen entstehen:[7][8]
  1. unselbstständig
    • Lernweg vorgegeben
    • Entscheidungen, Überlegungen, Handlungsanweisungen von externen Geber gegeben
    • keine Wahlmöglichkeiten
    • z.B. Beispielaufgaben, Demonstrationen
  2. fremdgesteuert
    • Lernweg vorgegeben
    • Handlungsanweisungen von externen Geber gegeben
    • Ausführung von Handlungsanweisungen
    • Intrasparenz in den Anweisungen
  3. fremdgeführt
    • Lernweg vorgegeben
    • Handlungsanweisungen von externen Geber gegeben
    • Ausführung von Handlungsanweisungen
    • Transparenz der Entscheidungen seitens des externen Gebers
    • Angebot weniger Wahlmöglichkeiten
  4. partizipiert
    • Lernweg größtenteils vorgegeben
    • externe Entscheidungen transparent
    • Übernahme von Mitverantwortung im Lernweg
    • teilweise Selbstreflexion
    • Entscheidungen von externen Gebern treten in den Hintergrund
  5. selbsttätig
    • Lernwege nur wenig vorgegeben
    • keine externen Entscheidungen
    • externe Kontrollstrukturen
    • selbstreflektiert
  6. selbstständig
    • keine Vorgabe des Lernwegs
    • keine externen Entscheidungen
    • wenige Kontrollstrukturen
    • selbstreflektiert
    • selbstverantwortlich
    • solidarisch
    • Verantwortung über andere übernehmen

Graduierung

Beschreibung
Stufe 0 Das digitale Medium erreicht höchstens SG 2 und IG 1 und schränkt somit eine förderliche Lernumgebung stark ein. Die Rolle der Lehrkraft bleibt stark zentriert.
Stufe 1 Das digitale Medium erreicht mindestens SG 3 und IG 2 und höchstens SG 4 und IG 3. Dafür tritt die Lehrkraft teilweise aus der zentrierten Rolle zurück.
Stufe 2 Das digitale Medium erreicht mindestens SG 5 und IG 4. Die Lehrkraft nimmt in hohem Maße eine lernbegleitende Beraterrolle ein.

Weiterführende Hinweise

  • Die einzelnen IG - und SG - Stufen in der Graduierung sind lediglich Vorschläge, können unterschiedlich ausfallen und sollten angepasst werden.
  • Der Grad der Interaktivität nach Schulmeister beschreibt die Ebenen, inwieweit die Lernenden in Wechselseitigkeiten mit dem digitale Medien treten können.
  • Der Selbstständigkeitsgrad unterscheidet sich von der instruktionalen Vorgabe des Lernwegs, des Niveaus der Selbstregulation und Selbstreflexion, sowie von der Übernahme von Mitverantwortung am Lehr-Lern-Prozess.
  • Keine Lernsoftware konnte bei Verständnisfehlern für jede Fehlerursache eine passende Hilfe und Rückmeldung anbieten. Eine Beraterrolle der Lehrkraft ist somit unabdingbar [9]
  • Wie entwickelt sich die Interaktion? [10] Strukturieren Sie die möglichen Interaktionen, indem Sie sie in Tätigkeiten, Handlungen und Operationen aufschlüsseln:
    • Tätigkeiten sind übergeordnete, an Motiven orientierte Interaktionen (z.B. das Lesen einer Landkarte)
    • Handlungen sind zielgerichtete, individuelle Interaktionen (z.B. das Vergrößern eines Kartenausschnitts um diesen detaillierter betrachten zu können.)
    • Operationen sind verinnerlichte Interaktionen, die kein weiteres Nachdenken erfordern und ggf. instrumentellen Zwängen unterworfen sind (z.B. das Ausführen der pinch - to - zoom - Geste oder das Verschieben der Karte mit dem Finger)

Praxisbeispiele

Animation Zahlenstrahl: Vergleicht die Höhen der drei Lebewesen.

Eine Möglichkeit eine möglichst förderliche Lernumgebung zu schaffen, kann durch den Einsatz von Phet im Unterricht geschaffen werden. Diese Animationen eigenen sich besonders gut, da sie einen hohen Grad an Interaktivität bieten, da manche Anwendungen situative Rückmeldungen geben. Zum anderen kann durch die Gestaltung des Einsatzes ein möglichst hoher Selbstständigkeitsgrad erreicht werden. So können die Schülerinnen und Schüler mit Hilfe der Animation ein Thema selbstständig erarbeiten und vertiefen. Auch sind die meisten Animationen an die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler geknüpft und können dadurch motivierend wirken.

Ein anderes Beispiel wäre der Einsatz von einem konstruktivistischen E-Learning. Die Schülerinnen und Schüler erhalten verschiedene Quellen, in denen sie sich über ein bestimmtes Thema informieren können. Diese könnten zum Beispiel die oben genannten Phet Animationen sein. Die Medien sollten möglichst interaktiv gewählt werden, sodass die Schülerinnen und Schüler durch Probieren und Erkunden sich den Inhalt erschließen können. Auch können hier Lernspiele zum Erarbeiten des Inhaltes genutzt werden, doch geben sie meist einen Lernweg vor, sodass sie weniger interaktiv sind. Durch den konstruktivistischen Aufbau, da sich die Schülerinnen und Schüler ihren Lernweg selbst aussuchen können, ist diese Einsatzmöglichkeit sehr selbstgesteuert. Die Lehrkraft steht hier nur als Berater zur Verfügung und unterstützt.

Einzelnachweise

  1. Urff, C.: Digitale Lernmedien zur Förderung grundlegender mathematischer Kompetenzen. Theoretische Analysen, empirische Fallstudien und praktische Umsetzung anhand der Entwicklung virtueller Arbeitsmittel. Zugl.: Ludwigsburg, Pädagogische Hochschule, Diss., 2013. Mensch und Buch Verl., Berlin, 2014, S. 111f, ISBN 3863874234.
  2. 2,0 2,1 2,2 Roth, J.: Digitale Werkzeuge im Mathematikunterricht – Konzepte, empirische Ergebnisse und Desiderate. In (Büchter, A.; Glade, M.; Herold-Blasius, R. Hrsg.): Vielfältige Zugänge zum Mathematikunterricht. Konzepte und Beispiele aus Forschung und Praxis, 2019, S. 240f, ISBN 3658242922.
  3. 3,0 3,1 Kultusministerkonferenz: Bildung in der digitalen Welt. Strategie der Kultusministerkonferenz, 2016, S. 8.
  4. 4,0 4,1 4,2 Arnold, P. et al.: Handbuch E-Learning. Lehren und Lernen mit digitalen Medien. W. Bertelsmann Verlag, Bielefeld, 2018, S. 122, ISBN 978-3-8252-4965-6.
  5. 5,0 5,1 Schulmeister, R.: Taxonomie der Interaktivität von Multimedia. Ein Beitrag zur aktuellen Metadaten-Diskussion. In ti + ti, 2002.
  6. Krauthausen, G.: Digitale Medien im Mathematikunterricht der Grundschule. Spektrum Akademischer Verlag, Berlin, 2012, S. 96f, ISBN 9783827422767.
  7. Winkel, R.: Führen durch Nachgeben. Oder: Katrin und „Der pädagogische Bezug". In Pädagogik, 1990.S. 12.
  8. Stübig, F.; Schäfer, C. Hrsg.: Selbstständiges Lernen in der Schule. Kassel Univ. Pr. GmbH, Kassel, 2003, S. 69 ISBN 3899580273.
  9. Urff, C.: Digitale Lernmedien zur Förderung grundlegender mathematischer Kompetenzen. Theoretische Analysen, empirische Fallstudien und praktische Umsetzung anhand der Entwicklung virtueller Arbeitsmittel. Zugl.: Ludwigsburg, Pädagogische Hochschule, Diss., 2013. Mensch und Buch Verl., Berlin, 2014, S. 291, ISBN 3863874234.
  10. Etzold, H.; Kortenkamp, U.; Ladel, S.: ACAT-Review-Guide –Ein tätigkeitstheoretischer Blick auf die Beurteilung von Mathematik-Apps. In (Ladel, S.; Kortenkamp, U.; Etzold, H. Hrsg.): Mathematik mit digitalen Medien - konkret. Ein Handbuch für Lehrpersonen der Primarstufe. WTM Verlag für wissenschaftliche Texte und Medien, Münster, 2018.S. 91–97. ISBN 9783959870771.