Graffiti-Tags
Ein Tag ist die persönliche Signatur, der Namensschriftzug eines Writers oder einer ganzen Graffiti-Crew. Ein Tag ist individuell, er symbolisiert auch den Charakter und die Vorlieben des Writers. Den Writern geht es darum, ihr Revier zu markieren, eine Art Markierung von „Hoheitsgebieten“ vorzunehmen. Sie wollen gesehen werden und Anerkennung bekommen. Sie eignen sich in gewisser Weise den Raum an.
Geschichte
Der Begriff Graffiti kommt aus dem italienischen („il Graffito“) und bedeutet so viel wie „das Gekratzte“ oder „zerkratzte Zeichnung“. Graffitis sind Zeichnungen oder Malereien, die auf öffentlich sichtbaren Wänden angebracht worden sind – früher durch Kritzeln oder Einritzen, heute meist durch den Einsatz von Spraydosen. Ausgrabungen der antiken römischen Stadt Pompeji zeigen, dass Graffitis keine Erfindung unserer Zeit sind. Unter Schichten von Lava und Vulkanasche haben Forscher neben Wandgemälden und Mosaiken auch in die Mauer geritzte Zeichen und Wörter, Bilder und Karikaturen gefunden. Und auch die Ägypter und Römer haben Zeichnungen in Wände geritzt.
Die Geschichte des Graffiti, wie wir es heute kennen, beginnt Mitte der 1960er Jahren in Philadelphia. Cornbread war wohl der erste moderne Writer. Der High-School Schüler Daryl McCray malte seinen Spitznamen mit einem Stift an Wände und öffentliche Plätze. Er fand immer verrücktere Stellen, angeblich sogar einen Elefanten im Zoo von Philadelphia.
Populärer wurde das Taggen schließlich in New York. Am 21. Juli 1971 berichtete die Zeitung New York Times erstmals über das Phänomen. Im Artikel ging es um einen Botenjungen, welcher jedes belieferte Haus mit seinem Pseudonym und der Nummer der Straße, in der er wohnte, versah: Taki-183. Durch die New York Times wurde das Taggen in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt und fand in kurzer Zeit viele Nachahmer. Immer mehr Jugendliche erfanden ein cooles Pseudonym und hinterließen es an allen möglichen freien Stellen der Stadt. Die Schriften wurden immer ausgefallener und komplizierter, die Buchstaben verschnörkelter. Alle versuchten ihren individuellen Stil zu finden, denn die Namens-Schriftzüge, Tags genannt, sind wie eine Unterschrift.[1] 1971 entstand auch das erste gesprühte Piece von Tracy 168. Sprühdosen waren eine Neuheit und eröffneten den Sprayern nun noch mehr Möglichkeiten. So wurden auch die Orte der Tags und Pieces immer spektakulärer. Mitte der 70er Jahre werden erstmals auch Züge und U-Bahnen als fahrenden Wände erkannt, die den eigenen Namen noch leichter verbreiteten.
Seit dem Entstehen der Hip-Hop Musik in den 70er Jahren, ist das Graffiti untrennbar mit der Hip-Hop Kultur verbunden. Das Graffiti ist eines der vier Elemente des Hip-Hops: Graffiti, Breakdance, Mcing und Turntablism. Graffiti-Künstler designten beispielsweise Flyer für Konzerte. Bis Ende der 1970er Jahre blieb das Writing vor allem auf New York beschränkt. In den 80er Jahren wurde das Graffiti von der New Yorker Kunstszene entdeckt, die den Weg des Graffiti-Writing in die Galerien ebnete. Ein Teil davon entwickelte sich zur sogenannten Aerosol Art. Seinen Höhepunkt erreichte das Writing in den USA Mitte der 80er Jahre. Filme wie Wild Style und Style Wars bringen das Graffiti und die Hip-Hop Kultur schließlich nach Europa. Inzwischen ist Graffiti-Writing auf der ganzen Welt verbreitet, hauptsächlich jedoch in Australien, Europa sowie Nord- und Südamerika.[2]
Legalität
Viele Graffitis sind nicht legal. Besonders das Taggen und Anbringen von Bombings im öffentlichen Raum oder das Bemalen von Zügen sind Straftaten nach § 303 StGB, da privates oder öffentliches Eigentum beschädigt wird. Daher werden Graffiti-Künstler oftmals auch strafrechtlich verfolgt. In ganz Deutschland gibt es seit Mitte der 1980er Jahre eine eigene Sonderkommissionen (SOKO) der Polizei, die sich genau mit der Graffiti-Szene beschäftigen und versuchen illegale Graffiti-Künstler zu überführen.[3] Wenn ein Sprayer angeklagt wird, kann es, neben hohen Geldstrafen, auch zu einem Gefängnisaufenthalt kommen. Die hohen Geldstrafen ergeben sich zum Teil aus den Reinigungs- und Restaurationskosten, denn oftmals werden denkmalgeschützte Häuser, Türen oder Denkmäler besprüht, die aufwändig und nach strengen Vorgaben gereinigt werden müssen. Und auch das Besprühen von Zügen hat Folgen. 2019 hat die Deutsche Bahn ganze 13 Millionen Euro für die Reinigung von Zügen aufbringen müssen. Wenn Züge gereinigt werden, können sie nicht fahren...[4]
Graffiti-Künstler
SNOW
„Wer Leipzig kennt, kennt auch Snow – bereits seit den 90er Jahren verteilt er seine Schriftzüge über die Stadt“, beginnt ein vielgelesener Artikel der Leipziger Volkzeitung aus dem Jahr 2019. Um Snow ranken sich, seitdem die ersten Graffiti-Schriftzüge in den 90er Jahren auf verschiedenen Wänden in Leipzig auftauchten, viele Gerüchte. Viele meinen, einen entfernen Verwandten oder Freund eines Freundes zu haben, der weiß, wer hinter dem Künstlernamen steckt – aber eigentlich kennt ihn einer. Er ist zweifelsohne ein Pionier der deutschen Graffiti-Szene, denn er war von Anfang an dabei.
In dem besagten Interview von 2019 kommt etwas Interessantes zutage: Snow ist kein einzelner Künstler, sondern eine Gruppe „– Und vor allem eine Idee“. Und natürlich ergibt diese Erkenntnis durchaus Sinn. Das Leben verändert sich, jeder Sprayer wird älter. Und irgendwann ist die Familie schließlich wichtiger als das Sprayen. So rückt stetig eine neue Generation nach.
Aber wofür steht eigentlich der Name Snow? Ganz einfach: Der Name ist ein Akronym aus den Himmelsrichtungen: Süden, Norden, Osten, Westen. Wir finden die Snow-Schriftzüge schließlich in allen Himmelsrichtungen, im Süden, Norden, Osten und Westen von Leipzig. Außerdem bedecken die Writer, wie eben auch fallender Schnee, alles mit ihren Schriftzügen. Allerdings sagt die Gruppe selbst, dass die Beschädigung einer Sache nicht in ihrem Interesse läge. Sie verändere eine Sache.
Die Grundlage für Snows Kunst ist seine Signatur, sein Tag. Der Stil der Tags hat sich mit den verschiedenen Künstlern entwickelt und verändert sich stetig. Allerdings lassen sich alle Schriftzüge dem sogenannten Oldschool-Style zuordnen. Old School bezeichnet die Graffiti-Stile, die sich in den 1970er und 80er Jahren entwickelten. Das waren einfache Tags und Throw-Ups ohne viele Verzierungen, die vor allem an New Yorker Wänden und im U-Bahn System zu finden waren. Alle Snow-Künstler orientieren sich an den Klassikern des Style-Writings, so wird trotz der vielen verschiedenen Künstler ein stilistischer Roter Faden bewahrt. „Strictly the dirty Streetlevel!“ definiert Snow seinen Stil – kein Schnickschnack, einfach straßentaugliche Stücke. Dennoch bleibt für Snow Spannung, Stabilität und Formsprache extrem wichtig.[5]
Übungsaufgabe
Kreiere einen Lichttag und hinterlasse diesen in einem Raum deiner Wahl.
Ein Lichttag funktioniert in etwa wie ein Tag, den du mit einer Spraydose schreibst. Der bedeutendste Unterschied zwischen einem normalen Tag und einem Lichttag besteht allerdings darin, dass ein Lichttag in jedem Fall legal ist. Es handelt sich dabei nämlich um eine Momentaufnahme, die durch ein Bild festgehalten wird.
Du fragst dich bestimmt, wie man einen gesamten Tag in nur einem Foto aufnehmen kann. Diese Art der Fotografie, die dafür genutzt wird, nennt man Luminogramm. Das Luminogramm stammt aus dem Gebiet der experimentellen Fotografie und bezeichnet die Aufzeichnung von Lichtspuren in einem dunklen Raum, die von Lichtquellen auf einem lichtempfindlichen Material (also zum Beispiel dem Lichtsensor in einer Kamera) erzeugt werden. Hört sich erst einmal kompliziert an, ist es aber nicht. Heute gibt es viele Hilfsmittel, die dir die Aufnahme von Luminogrammen erleichtern. Empfehlenswert ist die App "Light Painting" von WowStuff.
Quellenverzeichnis
- ↑ vgl. Internet: The New York Times (1971): 'Taki 183' Spawns Pen Pals. Auf: The New York Times [1](23.01.2021)
- ↑ vgl. Internet: SprayPlanet (2019): A History of Graffiti - The 60's and 70's. Auf: SprayPlanet [2] (21.08.2022)
- ↑ vgl. Internet: Linzatti, Raphael (2001): Graffiti. Legal – Illegal. Auf: kunst links [3] (18.01.2021)
- ↑ vgl. Internet: neuneinhalb – Deine Reporter: Graffiti | WDR [4]
- ↑ vgl. Internet: Szyltowski, Pauline (2019): Begegnung mit dem Leipziger Graffiti-Künstler Snow. Auf: Leipziger Volkszeitung [5] (21.08.2022)